Pressemitteilung
Petition zur Änderung der Wahlordnung in NRW/ Landtagswahlen - Einführung eines Zweistimmenwahlrechts
Eine Petition zur Änderung des in NRW zu Landtagswahlen bestehenden Wahlsystems.
NRW hat ein undemokratisches und veraltetes Wahlsystem. Die Wahlordnung macht es damit Parteilosen, kleinen und aufstrebenden Parteien zusätzlich schwer, obwohl sie bereits eine enorme Arbeitsleistung zu erbringen haben, bis sie es zu Erfolgen schaffen. Ihnen fehlt nicht nur die finanzielle Unterstützung des Staates, sie haben zudem noch hohe Hürden zu bewältigen, um die sich die 'etablierten Parteien' nicht kümmern brauchen. Neue Parteien und auch Parteilose sowie freie Wählergemeinschaften haben bereits im Vorfeld keine Chance auf eine flächendeckende Kandidatur und somit auf Erfolg. Parteilose Gruppen dürfen auch keine Reserveliste einreichen und haben damit faktisch keine Chance auf Einzug in den Landtag. Auch die geringe Wahlbeteiligung bei der letzten Landtagswahl könnte durchaus darauf zurückgeführt werden, dass es zu wenig erfolgversprechende bzw. seriöse Alternativmöglichkeiten gegeben hat. Denn obwohl im Jahre 2005 über 15 Parteien an der Landtagswahl teilgenommen haben, war für alle 'Nichtetablierten' eine flächendeckende Kandidatur aus rein formalen Gründen fast unmöglich! Das Einstimmenwahlsystem führt dadurch zu Erstarrungstendenzen im Parteigefüge, was einer gesunden Demokratie entgegen wirkt und notwendige Reformen blockiert. (Vgl. Wahlrechtsreform in Hamburg).
Hier die Gründe im Detail:
1. Um flächendeckend und somit erfolgreich kandidieren zu können, hätte jede bislang noch nicht in einem Bundes- oder Landesparlament vertretene Partei landesweit 1000 Unterschriften für eine Reserveliste (Parteiliste) und über 12800 Unterstützungsunterschriften zu je 100 aus 128 Wahlbezirken sammeln müssen. Zudem hätte in jedem Wahlbezirk ein Kandidat aufgestellt werden müssen, der wie bei kleinen Parteien üblich, ohnehin nie direkt gewählt worden wäre. Insgesamt eine unmögliche Forderung, denn keine 'nichtetablierte' Partei hat diese Bedingungen bei der letzten Wahl erfüllen können. Im Vergleich: Zur Bundestagswahl sind 2000 Unterschriften für eine landesweite Wählbarkeit nötig. Zur Europawahl sind gar nur 4000 Unterschriften für eine bundesweite Wählbarkeit notwendig! Zahlen, die für sich sprechen.
2. Der Wähler kann bei der Stimmabgabe nicht zwischen Direkt- und Listenwahl differenzieren (vgl. Bundestagswahl), obwohl der Gesetzgeber ganz bewußt sowohl Wahlkreismandate als auch Listenmandate vorsieht. Der Wähler muß im Zweifel abwägen, ob er einen nicht gewünschten Kandidaten wählt um die gewünschte Partei zu wählen, oder im umgekehrten Fall eine nicht gewünschte Parteiliste wählt, um dem gewünschten Kandidaten seine Stimme zu geben.
3. Sollte in einem Wahlkreis eine Partei keinen Kandidaten aufgestellt haben (da wie erwähnt wegen der vielen Unterschriften eine flächendeckende Kandidatur kaum möglich ist), ist für die Wähler in diesem Wahlkreis auch deren Landesreserveliste (also die Partei) nicht wählbar. (Vgl. auch Punkt 1) Die Wähler in diesem Wahlkreis haben somit keine Möglichkeit mehr, diese vom Landeswahlausschuss zugelassene Parteiliste zu wählen. Die Wählbarkeit einer Partei darf aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob einzelne Direktkandidaten aufgestellt werden oder nicht.
4. Verschärfend kommt hinzu, dass Parteien welche zur Zulassung Ihrer Reserveliste Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, diese durchaus in Wahlkreisen sammeln können, in welchen sie keinen Wahlkreiskandidaten aufgestellt haben. Noch phantastischer ist die Vorstellung, dass eine solche Landesreserveliste zugelassen wird, obwohl sie hinterher nur in ganz wenigen oder gar in keinem Wahlkreis wählbar ist, weil keine Wahlkreiskandidaten aufgestellt worden sind.
5. Werden in einem Wahlkreis Stimmen für einen Kandidaten abgegeben, dessen Partei keine Reserveliste aufgestellt hat oder auch für einen parteilosen Kandidaten, so werden diese Stimmen nur einmal gezählt. Stimmen für Kandidaten einer Partei mit Reserveliste werden hingegen zweimal gezählt (Kandidat und Partei in Einem = personalisierte Verhältniswahl in einer Stimme) und das trotz der verfassungsgemäß gebotenen „Gleichheit der Stimmen!" (Art. 38 GG)
6. Nicht nur das eine solche Stimme nur einmal gezählt wird. Diese Stimme hat auch keinen Einfluß auf die Wahl des Teils des Landtages, der über die Reservelisten gewählt wird. Ein Wähler, der sich für die Wahl eines Kandidaten ohne hinterlegte Landesliste entscheidet, verwirkt somit automatisch seine Möglichkeit neben der Zusammensetzung des Landtags aus Wahlkreiskandidaten auch an dem Teil des Landtags mitzuwirken, welcher sich aus den Reservelisten der Parteien zusammensetzt. Aber auch bei einer Wählergruppe mit Reserveliste ist der landesweite Erfolg ja noch lange nicht garantiert, wenn die flächendeckende Kandidatur nicht gewährleistet ist. Denn keine Partei kann es sich erlauben in einigen Wahlbezirken nicht anzutreten und trotzdem Erfolg haben zu wollen. Und das ist ja wie erwähnt nur möglich, wenn auch in jedem Wahlbezirk ein Kandidat aufgestellt wird. (Vgl. auch Punkt Nr. 1)
Ein Zweistimmenwahlsystem, wie es zur Bundestagswahl gilt, wäre ein ganz eleganter Ausweg. Angesichts der Tatsache, dass die Bürger in der BRD fähig sind mit mehr Demokratie umzugehen, änderte zuletzt das Bundesland Schleswig-Holstein die Wahlordnung vom unfairen „Einstimmenwahlsystem" hin zum moderneren „Zweistimmenwahlsystem". Demnach wird nur noch in Baden-Württemberg und NRW mit einem Einstimmenwahlsystem gewählt. Im Sinne der Angleichung aller Wahlverfahren auf Landesebene, wäre es für NRW sinnvoll, ebenfalls zu wechseln.
In diesem Zusammenhang macht es meines Erachtens auch Sinn, die Diskussion um die Direktwahl des Ministerpräsidenten und eine Absenkung der Sperrklausel zu diskutieren. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Inhalte für zukünftige Aktionen berücksichtigen würden.
Mit freundlichem Gruß
C: Wohlgemuth
Landesvorsitzender der ödp in NRW