Pressemitteilung
Das Märchen von der verlorenen Stimme
Interview mit dem stell. Landesvorsitzenden und ÖDP-Listenkandidat Werner Roleff
Interview mit Werner Roleff, Vorsitzender der ÖDP KölnBonn,
Kandidat der Landesliste der ÖDP-NRW und stellv. Landesvorsitzender
Frage: Man hört immer wieder die Meinung, eine Stimme für eine
kleine Partei wäre eine „verlorene Stimme“. Da ist doch was dran, oder?
Werner
Roleff (lacht): Ja und Nein. Einerseits ist aus Sicht der großen
Parteien natürlich jede Stimme für eine andere Partei (wie z.B. die ÖDP)
eine „verlorene“. Die entsprechenden Wählerwanderungen – weg von den
Großen, hin zu den Kleinen – sind schon länger zu beobachten, so dass
man mittlerweile von „Volksparteien ohne Volk“ spricht (Hans Herbert von
Arnim, Verfassungsrechtler).
Leider benutzen dieselben großen
Parteien das „Märchen von der verlorenen Stimme“ gerne als
Wahlkampfmunition, um potenzielle WählerInnen von ihrer eigentlichen
Wahlentscheidung abzuhalten. Und wenn Menschen dann dieser Versuchung
erliegen, haben sie tatsächlich ihre eigene Stimme verloren: nämlich an
eine große Partei, deren Inhalte sie nicht so teilen wie diejenigen der
Partei, die sie eigentlich unterstützen wollen.
Andererseits ist es
eine Tatsache, dass jede Stimme für eine demokratische Partei auch eine
Stimme für die Demokratie ist, und daher keineswegs eine „verlorene“
Stimme oder ein Verlust sondern ein Gewinn, und zwar unabhängig von der
Größe einer Partei. Das sieht man u.a. an der ständigen Zunahme der
Prozente für die sogenannten „Sonstigen“, die mittlerweile einen
wesentlichen Teil der WählerInnen repräsentieren.
„Sonstige“,
die aber doch nicht ins Gewicht fallen, solange sie die 5%-Hürde nicht
überspringen?!
Roleff: Da muss ich widersprechen.
1.
Demokratie beginnt – ganz grundsätzlich – nicht erst bei 5%.
2.
Auch mit weniger als 5% können Parteien überaus wirksam sein. Denken Sie
an die Grünen Ende der 70er Jahre. Damals haben sie ganz klein
angefangen, waren noch nicht in einem Landtag oder Bundestag vertreten
und konnten dennoch schon ökologische Themen in die Diskussion
einbringen – auch mit der Folge, dass die damals etablierten Parteien
sich auch dieser Themen annehmen mussten.
3. Stimmen für kleine
Parteien werden als „Denkzettel“ bzw. Proteststimmen sehr ernstgenommen –
von den anderen Parteien, von den Medien und natürlich zuallererst von
den WählerInnen.
4. Staatliche Gelder für Parteien
(„Wahlkampfkosten-Erstattung“) gibt’s bei Landtagswahlen bereits ab 1,0%
- eine wichtige Grundlage für das politische Engagement kleiner
Parteien. Das gilt besonders für die ÖDP, die keinerlei Konzernspenden
annimmt, um sich so ihre Unabhängigkeit von Lobbyisten zu bewahren.
Aber
kann eine kleine Partei denn auch Wesentliches verändern oder ist sie
nicht doch zur Machtlosigkeit verdammt?
Roleff: Konkurrenz belebt das Geschäft! Die langjährige
politische Erfahrung der ÖDP zeigt, dass auch eine vermeintlich kleine
Partei immer wieder Großes bewirken kann. Einige Beispiele:
• In
Bayern hat die ÖDP 1998 durch das erfolgreiche Volksbegehren den teuren
und überflüssigen bayerischen Senat abgeschafft. Daher stammt der
Spruch: „Auch ein kleiner Reißnagel kann einen großen Hintern bewegen.“
•
Ebenfalls in Bayern wurden – noch unter absoluter CSU-Mehrheit – auf
Initiative der ÖDP hin fünf geplante AKW-Standorte gestrichen, das
unsoziale Büchergeld an Schulen wieder abgeschafft, der Anbau von
Gen-Mais verhindert.
• Aktuell kämpft die ÖDP in Bayern für echten
Nichtraucher-Schutz. Im Dez. 2009 unterstützten 1,3 Mio Menschen das
entsprechende Volksbegehren. Nun folgt – voraussichtlich im Juli 2010 –
der Volksentscheid, bei dem dann die bayerischen WählerInnen
abschließend über das Gesetz abstimmen.
Aber auch die ÖDP NRW
kann sich sehen lassen:
• 1999 klagte die ÖDP vor dem
Verfassungsgerichtshof und hatte Erfolg: Die 5%-Hürde bei Kommunalwahlen
in NRW wurde abgeschafft.
• 2008 war die ÖDP ebenfalls
erfolgreich – diesmal gegen die undemokratische „Ein-Sitz-Sperrklausel“,
die vom Landtag eingeführt worden war, um unbequeme Konkurrenz-Parteien
(wie die ÖDP) bereits auf kommunaler Ebene loszuwerden.
Ein
ähnlicher Versuch der Bundestags-Parteien, kleinen Parteien durch das
„Drei-Länder-Quorum“ den Geldhahn zuzudrehen und dafür selbst mehr
staatliche Mittel zu erhalten, scheiterte 2004. Auch hier war die ÖDP
erfolgreich, diesmal sogar vor dem Bundesverfassungsgericht.
Wie
unterscheidet sich denn die ÖDP ganz allgemein von anderen kleinen
Parteien?
Roleff: Die ÖDP zählt zu den Bedeutendsten, sie
ist – länger als alle anderen – schon seit 1982 im „politischen
Geschäft“, organisatorisch gut aufgestellt und unterscheidet sich schon
allein dadurch von manchen „Strohfeuern“, die es im Laufe der Zeit
gegeben hat (Schill-Partei, Statt-Partei etc). Die ÖDP-Mitgliederzahlen
steigen an, die Zahl der ÖDP-Mandate nimmt ebenfalls kontinuierlich zu.
Und zur Landtagswahl in NRW am 9. Mai 2010 treten besonders viele junge
ÖDP-Kandidatinnen und -Kandidaten an, die frischen Wind in die
politische Auseinandersetzung bringen.
Schließlich ist die ÖDP eine
seriöse Partei, die gleichzeitig auch sehr viel Sinn für Humor hat. In
den Anfangsjahren wurde gerne folgender Witz erzählt:
Ein paar Tage nach der Wahl. Ein Bürger begegnet der ÖDP-Kandidatin.
Er: „Ich hab Sie gewählt.“ Die ÖDP-Kandidatin: „Ach, Sie waren das!“
Angesichts der Verdreifachung von ÖDP-Wählerstimmen bei der
Bundestagswahl 2009 auf insgesamt 132.395 hat dieser Witz heute nur noch
nostalgischen Wert. Was aber auch wieder ein Grund zur Freude ist.